Sie eignet sich synergetisch zu einer effektiven Defossilisierung der Industrie. Weit von der Küste entfernte Meeresgebiete könnten schnell und günstig für die Energieproduktion erschlossen werden. Zugleich leistet sie einen substanziellen Beitrag für die Diversifizierung der Bezugsquellen durch die Erzeugung von heimisch gewonnenen Grünem Wasserstoff.
Die grenzüberschreitende Kooperation mit den europäischen Nachbarstaaten wird durch den Aufbau einer Grünen Wasserstoffunion grundlegend gefestigt. Dabei entstehen Chancen für die Produktion im Inland und den Aufbau von Produktionsanlagen von Grünem Wasserstoff mit den europäischen Partnerstaaten.
Mit Blick auf die notwendige Fortschreibung der nationalen Wasserstoffstrategie und aller damit zusammenhängenden gesetzlichen und regulativen Rahmenbedingungen muss der Bedeutung von Grünem Wasserstoff aus Offshore-Windenergie noch stärker Rechnung getragen werden. Die unterzeichnenden Organisationen empfehlen daher folgende Maßnahmen:
Flächen für Offshore-Wasserstoff-Erzeugung
Das von fünf auf zehn Gigawatt verdoppelte Ziel für Elektrolysekapazität in Deutschland ist angesichts des hohen Bedarfs und der Entstehung einer heimischen Wasserstoffwirtschaft geboten. Die Elektrolyse auf See kann, soll und muss hier einen signifikanten Anteil der erforderlichen Installationsleistung beitragen. Entsprechend sollten die Ausbauziele für die Offshore-Wasserstofferzeugung auf zehn Gigawatt bis 2035 in der Nationalen Wasserstoffstrategie und im Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) verbindlich festgelegt und weitere Flächen für die Energiegewinnung im Flächenentwicklungsplan ausgewiesen werden.
Bislang ist nur die sogenannte Fläche SEN-1 für eine Ausschreibung vorgesehen. Mit einem Erzeugungspotenzial von rund 300 Megawatt reicht dieser Bereich zur Erreichung der angestrebten Elektrolysekapazität aber bei Weitem nicht aus. Weitere Flächen müssen, zusätzlich zu den geplanten Flächen für die Produktion für den Strommarkt, bereitgestellt werden. Dies sollte insbesondere für küstenferne Flächen gelten, die für Offshore-Windenergie geeignet sind, für die aber auf Jahrzehnte hinaus ein Stromanschluss zu kostenaufwendig bzw. erst weit nach 2035 realisierbar wäre. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir, dass nach § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 5 WindSeeG geprüft werden soll, ob die Erschließung eines zusätzlichen Potenzials von 4 bis 6 Gigawatt Windenergie auf See im sogenannten „Entenschnabel“ der deutschen AWZ naturverträglich möglich ist. Diese Ankündigung verstehen wir implizit als Mengenziel für Offshore-Wasserstofferzeugung – zusätzlich zum Mengenziel für Offshore-Wind-Strom. Eine Verpflichtung zur Flächenausweisung ist im Gesetz aber noch nicht vorgesehen. Hier weisen wir darauf hin, dass nur ein verpflichtendes Mengenziel – wie es für den Stromsektor bereits besteht – den notwendigen Elektrolyse-Ausbau gewährleisten kann und langfristig Planungssicherheit für Projektierer schafft.
Die Flächenbereitstellung kann in den kommenden Jahren bis 2030 im Zuge eines Sprinterprogramms für die „Grüne Wasserstoffproduktion“ in Deutschland für 3 Gigawatt (2 Gigawatt Offshore plus 1 Gigawatt Onshore) erfolgen. Die ersten Ausschreibungen wären für das 1. Quartal 2023 anzustreben. Die Vorhaben der Bundesregierung zur Beschleunigung von Planungen und Genehmigungsverfahren begrüßen wir vor diesem Hintergrund ausdrücklich und bieten hier jederzeit unsere Unterstützung an. Hier müssen den Ankündigungen noch konkrete Taten folgen.
Zusätzlichkeitskriterium nach RED II Richtlinie möglichst weit auslegen
Neben der Bereitstellung ausreichender Flächen für die Offshore-Elektrolyse muss ferner gewährleistet sein, dass der Wasserstoff in ausreichendem Maße und zu wettbewerbsfähigen Preisen am Markt zur Verfügung steht. Dazu ist es gerade in der Anfangsphase wichtig, die Anforderungen an den Strombezug für die Elektrolyse möglichst weit zu fassen. Die Vorgaben der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) werden dem nicht gerecht. Auch der ehrgeizige Wasserstoff-Plan des jüngsten REPowerEU-Pakets der EU-Kommission erlaubt ab 2027 nur noch, Wasserstoff aus Strom neugebauter und subventionsfreier Windenergie-- und Solaranlagen zu produzieren. Selbst wenn die Genehmigungsverfahren für neue Wind- und Solaranlagen in Zukunft beschleunigt werden, würde dies den dringend notwendigen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft um Jahre verzögern und die Produktion großer Mengen Wasserstoff vor 2030 unmöglich machen. Die alleinige Begrenzung auf Neuanlagen, welche die Nutzung von Strom ausgeförderter Bestandsanlagen ausschließt, führt nach Annahmen von Frontier Economics zu einem erheblichen Kostenanstieg bei der Elektrolyse. Außerdem würde bei gleicher Elektrolyseurleistung signifikant weniger Grüner Wasserstoff produziert werden können. Darüber hinaus wird der Vorschlag, dass Elektrolyseure nur dann Wasserstoff produzieren dürfen, wenn Strom fast gleichzeitig von diesen neuen Wind- und Solarparks produziert wird, Wasserstoff unnötig teuer machen und die kontinuierliche Versorgung der Industrie erheblich erschweren. Auch aus Sicht des Klimaschutzes ist dies völlig unnötig, da der Emissionshandel CO2-Reduktionen regelt.
Insofern appellieren wir an die Bundesregierung, bei der Umsetzung des delegierten Rechtsaktes zu der RED II auch bereits geförderte EE-Stromanlagen als Bestandsanlagen mit einzubeziehen und die Wirkung der Ausnahmeregelung aus Art. 8 des Delegated Acts bis zum Jahr 2030 zu verlängern.
Transportpipeline und Infrastruktur
Zum Abtransport des Offshore produzierten Grünen Wasserstoffs an Land ist eine Wasserstoff- Sammelpipeline in der Nordsee die beste Lösung.
Eine Wasserstoffpipeline bietet gerade bei größeren Entfernungen erhebliche Vorteile gegenüber einer See- und Landkabelverlegung oder gar Schiffstransport. Die Vorteile kommen vor allem dann zum Tragen, wenn die Erzeugung auf industriellen Maßstab auf 10 Gigawatt hochskaliert wird, wobei für eine vergleichbare elektrische Leistung 5 Kabelsysteme erforderlich wären, auch bei zügiger Weiterentwicklung der Kabeltechnologie. Eine aktuelle Studie der Firma AFRY belegt das deutlich und zeigt erhebliche Nutzenpotenziale in puncto Zeitersparnis und Umweltverträglichkeit.
Die Anpassung der Raumordnung für einen effizienten Trassenverlauf muss dafür zwingend erfolgen. Insofern begrüßen wir den Vorstoß in der WindSeeG-Novelle, wonach Sammelpipelines aus sonstigen Energiegewinnungsbereichen bisher vorgesehenen Gleichstromtrassen gleichgestellt werden und deren Zulassung fortan im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens nach §§ 45 ff. WindSeeG ermittelt werden soll. Eine Festschreibung dieses Transportweges in der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung würde bereits heute Planungssicherheit und Ausbaupotenziale mit der European Hydrogen Backbone bieten.
Aufbau einer deutschen Offshore-Wind-Wasserstoffwirtschaft
Vor dem Hintergrund der Erfordernisse von Energiewende und einer sich dramatisch ändernden weltpolitischen Lage muss die Bundesregierung jetzt die Voraussetzungen für den Hochlauf einer deutschen Wasserstoffwirtschaft– eingebettet in eine europäische Kooperation – schaffen.
Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft ist mit einem enormen Wachstumspotenzial für den deutschen Maschinenbau und weiterer Industriezweige verbunden. Gleichzeitig ist Grüner Wasserstoff besser als alle anderen erneuerbaren Energieträger in der Lage, große Energiemengen kostengünstig über lange Strecken zu transportieren und zu speichern. Beides sind Voraussetzungen für eine sichere wirtschaftliche und nachhaltige Energieversorgung.
Das Programm zur Unterstützung des Markthochlaufs einer deutschen Wasserstoffindustrie und einer Grünen Wasserstoffproduktion sollte ein Fördervolumen von mindestens 10 Milliarden Euro umfassen, um einerseits die gesetzten Klimaziele zu erreichen und andererseits die Versorgungssicherheit der Energieversorgung abzusichern.
Das Förderkonzept soll auf der geprüften EU-konformen marktnahen Systematik von H2Global aufbauen und zunächst mindestens 2 Gigawatt Elektrolyseleistung fördern. Hierbei muss der Systemgedanke im Fokus bleiben, d. h. das Ineinandergreifen aller Komponenten von Herstellung, Transport, Speicherung und Verbrauch. Insbesondere die in die Offshore-Windenergieanlagen integrierte Wasserstofferzeugung bietet erhebliches Potenzial zur Senkung der Wasserstoffentstehungskosten.
Parallel dazu muss der Prozess der Schaffung der technischen Genehmigungsvoraussetzungen und Normen unterstützt werden und eine Lösung für Herkunftsnachweise für Grünen Wasserstoff.
Bislang ist Grüner Wasserstoff noch nicht wettbewerbsfähig gegenüber Wasserstoff, der aus fossilen Brennstoffen hergestellt wird. Dies liegt primär an den deutlich höheren Produktionskosten bei der elektrolysebasierten Herstellung. Die Entwicklung eines wettbewerblichen Marktdesigns für Offshore-Wind-Wasserstoff ist daher ein erforderlicher Schritt zum Ausgleich von Kostendifferenzen. In der Koalitionsvereinbarung wurde die Prüfung der Einführung von Wasserstoff-Differenzverträgen (Carbon Contracts for Difference, CCfD oder Contracts for Difference CfD) angekündigt. Grundsätzlich handelt es sich bei dem H2Global-Konzept, um ein CfD Modell, allerdings für den Import von Wasserstoff und Wasserstoffderivate aus anderen Ländern außerhalb der EU. Vorteil dieses Modells ist, dass es bereits von der EU geprüft und die Vereinbarkeit mit dem europäischen Recht bestätigt wurde. CCfD sollten daher analog zum H2Global Programm, die Möglichkeit bieten, die Markteinführung von Grünem Wasserstoff aus heimischer grüner Stromproduktion v. a. in den Grundstoffindustrien über eine Abfederung der genannten Kostendifferenzen deutlich vorzuziehen und damit die Abnahmebereitschaft für Grünen Wasserstoff anzureizen. Wir fordern daher die zügige Einführung eines auf CCfD basierenden Instruments, wobei maßgeblich die durch das geförderte Projekt vermiedenen Emissionen sowie die auf die CO2-Minderung bezogenen Mehrkosten, die sich aus der Produktion mit der Klimaschutztechnologie im Vergleich zu einer Referenztechnologie ergeben, berücksichtigt werden sollten.
Ausbildungs- und Beschäftigungsprogramm für Offshore-Wind-Wasserstoff-Systemen
Wie für alle Wachstumsbranchen verschärft sich der Fachkräftemangel auch in der Offshore-Windenergie und allen anderen Bereichen der Energiewende. Die absehbaren Beschäftigungseffekte sind grundsätzlich erfreulich, ziehen aber auch einen entsprechenden zusätzlichen Fachkräftebedarf in Deutschland nach sich.
Wir sind dringend auf gut ausgebildetes Personal angewiesen und haben zudem komplexe und extreme Anforderungen an Fachkräfte auf See. Das Auffangen von Arbeitsplatzabbau aus anderen schwindenden, Bereichen der Energiebranche oder der maritimen Industrie ist nur in begrenztem Umfang möglich, etwa aus der Kraftwerkssteuerung oder der Arbeit in Offshore Öl und Gas.
Genau wie andere Branchen fordern wir daher, dass von der schulischen bis zur beruflichen und akademischen Bildung die Erfordernisse der Energiewende noch stärker zu berücksichtigen und entsprechende Angebote zu schaffen. Dazu gehört eine stärkere Förderung von Frauen in sogenannten technischen Berufen.
Allein mit inländischen Fachkräften werden die Bedarfe kaum zu decken sein, es muss aber stets im Blick behalten werden, dass auch in anderen Märkten verstärkt Fachkräfte nachgefragt werden. Hier besteht ein großer Wettbewerb um die besten Talente.
Zudem müssen die Rahmenbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland im globalen Wettbewerb konkurrenzfähig sein, um nach wie vor für qualifiziertes Personal attraktiv zu sein.
Wasserstoff-Partnerschaft von Politik und Wirtschaft
Als in 2021 gegründete Verbundinitiative strebt der „Wasserstoffachter“ eine Partnerschaft von Politik und Wirtschaft an, um zügig und effektiv an notwendigen Weichenstellungen moderierend und übergreifend mitzuwirken, den Ausbau der erneuerbaren Energien gemeinsam mit Grünem Wasserstoff zu beschleunigen.
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