Arbeitszeit
Die Nebelkerzen-Werfer oder die Mär vom faulen Deutschland

Stellungnahme von Daniel Friedrich zur aktuellen Arbeitszeit-Diskussion

28. Mai 202528. 5. 2025


Liest man in diesen Tagen die Schlagzeilen, könnte man meinen, Deutschland sei ein Land der Faulenzer. Die Liste an Vorschlägen, wie man die Deutschen „wieder zum Arbeiten bringen“ könne, wird immer absurder: „Wieder anpacken“, fordert Friedrich Merz. Feiertage streichen, heißt es aus der Wirtschaft. Ola Källenius (Mercedes-Benz) will Karenztage bei Krankheit. Andere sprechen vom Ende des Acht-Stunden-Tags oder erklären die 4-Tage-Woche zum Problem (Linnemann). All das klingt nach Aufbruch, ist aber in Wahrheit ein Rückfall – und lenkt von den eigentlichen Problemen ab. Es sind Nebelkerzen, geworfen von denen, die wesentliche Verantwortung tragen für den wirtschaftlichen Stillstand in diesem Land.

Denn das Narrativ vom arbeitsscheuen Deutschland hält einer ehrlichen Prüfung nicht stand. Die Menschen in diesem Land arbeiten viel. Das Arbeitsvolumen – also die insgesamt geleisteten Stunden – ist auf einem Höchststand. Dass die durchschnittliche Arbeitszeit pro Kopf niedriger ist als in anderen Ländern, liegt an der hohen Teilzeitquote – insbesondere bei Frauen. Und das ist kein Makel, sondern Ausdruck eines Arbeitsmarkts, der in Teilen inklusiver geworden ist. Wer höhere Arbeitszeiten fordert, sollte erst einmal dafür sorgen, dass Frauen nicht länger in der Teilzeitfalle stecken bleiben. Verlässliche Betreuungszeiten, echte Möglichkeiten zum Wechsel in Vollzeit – hier liegt das eigentliche Potenzial. Aber darüber schweigen die angeblichen Leistungsträger.

Auch das Märchen von den unflexiblen Arbeitszeiten hält keiner Realität stand. In der Metall- und Elektroindustrie mit fast vier Millionen Beschäftigten sind flexible Arbeitszeiten längst Alltag. Zehn-Stunden-Tage sind da heute schon möglich, ein Ausgleich nötig. Die 4-Tage-Woche wird von Betrieben angeboten, um Fachkräfte zu gewinnen. Oder sie wird in Tarifverträgen verankert – nicht als Faulenzer-Modell, sondern zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen. Klappen Beschäftigte abends noch das Notebook auf, reduziert sich die Ruhezeit. Das alles ist vorhanden – wenn es gute Tarifverträge gibt. Und weil die Beschäftigten längst bewiesen haben, dass sie leistungsbereit und verantwortungsvoll sind.

Also alles in Ordnung? Nein. Denn Deutschland hat ein Problem – nur nicht das, was einige gerade herbeireden. Wir müssen produktiver werden. Aber nicht, indem wir Arbeitsschutz und Arbeitnehmerrechte schleifen. Sondern indem wir investieren: in Innovation, Digitalisierung, Infrastruktur. Wir brauchen weniger Bürokratie, kürzere Genehmigungszeiten, niedrigere Energiekosten, bessere Finanzierungsmöglichkeiten. Und eine Industriepolitik, die Wertschöpfung in Europa und Deutschland hält – statt sie durch Untätigkeit zu verspielen. Das alles ist schwieriger als Schlagzeilen über „faule Deutsche“. Es verlangt Mut zur Auseinandersetzung mit der Realität. Aber genau das ist die Aufgabe von Politik und Wirtschaft.

Wer Nebelkerzen wirft, lenkt ab – von der eigenen Verantwortung. Und das hat dieses Land nicht verdient. Es geht nicht darum, Beschäftigte anzuprangern. Es geht darum, mit ihnen gemeinsam die Zukunft zu gestalten. Denn sie sind nicht das Problem. Sie sind längst Teil der Lösung.

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Dominik Lauck

Assistenz: Cristina Wolter

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