Vestas-Beschäftigte wollen Tarif
Streik-Demo vor Vestas-Zentrale in Dänemark

Seit 7. November streiken die Servicetechniker des Windradbauers Vestas für einen Tarifvertrag mit verlässlichen Lohnerhöhungen. Doch die Geschäftsleitung bleibt stur. Dabei fehlen massiv Fachkräfte für die Energiewende. Über 200 demonstrierten vor der Konzernzentrale in Aarhus/Dänemark.

21. Dezember 202221. 12. 2022


Aarhus/Dänemark: Über 200 Windrad-Servicetechniker demonstrieren vor der Zentrale des Windradherstellers Vestas. Aus dem gesamten Bundesgebiet sind sie nach Husum nahe der Grenze gekommen und in vier Bussen gemeinsam nach Aarhus gefahren. Seit dem 7. November sind sie im Streik.

Sie fordern einen Tarifvertrag: endlich regelmäßige Lohnerhöhungen, Altersteilzeit, Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Doch die deutsche Vestas-Geschäftsleitung weigert sich seit einem halben Jahr kategorisch, mit der gewählten IG Metall-Tarifkommission bei Vestas zu verhandeln. Deshalb sind sie heute hier, mit Fahnen, Bannern, Trillerpfeifen und Hupen. Und sie sind laut.
 

Geschäftsleitung verweigert Verhandlungen

„Das deutsche Vestas-Management hat offenbar noch nicht verstanden, dass wir dringend Lösungen für die Themen der Beschäftigten brauchen“, kritisiert Martin Bitter, Geschäftsführer der IG Metall Rendsburg und Verhandlungsführer bei Vestas. „Daher wenden wir uns heute direkt an die Konzernspitze in Dänemark.“

Immerhin: Der COO (Chief Operating Officer, Produktionsleiter) kommt raus zu den Streikenden – anders als bei ihrer Demo vor der Deutschland-Zentrale in Hamburg vor drei Wochen, wo die Geschäftsleitung kniff. Ins Megafon spricht der COO nicht. Aber er lässt über Martin Bitter ausrichten, dass Vestas weiterhin nicht mit der IG Metall verhandeln will. „Buuh“, schallt es ihm entgegen.

Auch ein paar dänische Kollegen sind rausgekommen. Aber sie dürfen keine Grußworte ins Megafon sprechen, erzählen sie. Beschämend.
 

Masten immer höher – Löhne bleiben am Boden kleben

Ihre Arbeit wird immer härter, die Windmasten immer höher – 150 Meter und mehr. Ihre Zeitvorgaben werden immer enger und unrealistischer, der Druck nimmt zu, bei Wind und Wetter. Oft gibt es kein Klo, keine Waschmöglichkeit. Umziehen müssen sie sich im Auto. Überall wird gespart.

Immer höher, schneller, weiter. Doch Lohnerhöhungen haben sie in den letzten Jahren kaum bekommen. Eine Inflationsausgleichsprämie, wie in Metall-Tarifbetrieben und bei anderen Windradbauern, gibt es auch nicht. Zwar gibt es einen Jahresbonus bei Vestas, doch die Zielzahlen dafür legt die Geschäftsleitung alleine fest – willkürlich und absichtlich immer unerreichbarer, meinen die Beschäftigten – „wie eine Möhre vor der Nase“.

Früher war es besser, berichten viele. Die Löhne waren gut. Vorgesetzte hörten zu. Es gab Geschenke. Jubiläumsgratifikationen. Weihnachtsfeiern. Heute sind sie nur noch „Ressourcen“, die Geld kosten.

Fachkräfte für die Energiewende gesucht

Dabei brauchen sie dringend gute Leute, für die Energiewende. Eletroniker, Mechatroniker, Industriemechaniker – mit Spezialkenntnissen. Bis 2030 soll sich die Stromproduktion aus Windrädern verdoppeln. Doch der Weltmarktführer Vestas mit weltweit rund 30 000 Beschäftigten in 26 Ländern, davon rund 1700 in Deutschland, findet kaum noch Fachkräfte – und kaum noch Azubis. Kein Wunder, sagen die Beschäftigten.

Um Löcher zu stopfen, werden sie Immer öfter wochenlang an andere Standorte verschickt, auch ins Ausland. „Dort ist die Arbeit besser, du hast weniger Druck, Tarif ist normal“, berichtet Finja Neumann, die einzige weibliche Vestas-Servicetechnikerin in Deutschland, die derzeit gerade aus Hessen in die Niederlande entsandt ist. Davor war sie in Schweden und Finnland, wo es übrigens noch mehr Servicetechnikerinnen gibt.
 

Auf Augenhöhe verhandeln – statt Arroganz von oben

Sie wollen endlich gute Arbeitsbedingungen, verlässliche Lohnerhöhungen und Altersteilzeit, um früher rauszukommen. Denn bis 67 ist die Arbeit hoch oben auf dem Mast kaum durchzuhalten, macht Vestas-Betriebsrat Ralf Nissen klar.

Alleine bekommen sie das nicht hin, das wissen sie, sondern nur gemeinsam, mit der IG Metall. Deshalb haben sich im letzten Jahr immer mehr in der IG Metall organisiert, eine Tarifkommission gewählt und Forderungen aufgestellt. Sie wollen nicht mehr betteln müssen, sondern gemeinsam auf Augenhöhe mit der Geschäftsleitung verhandeln.

Das ist das, was viele am meisten ärgert: die Arroganz von oben.

 „Sie drohen uns mit Massenentlassungen, nur weil wir einen Tarifvertrag fordern“, ruft IG Metall-Vertrauensmann Norbert „the Rock“ Jensen vor der Konzernzentrale ins Megafon. „Das ist doch weltfremd. Vestas wird die nächsten Jahre ein Riesengeschäft haben. Wir brauchen Spezialkräfte – und dafür müssen wir auch attraktive Arbeitsbedingungen bieten. Es muss endlich Schluss sein damit, dass wir die Bittsteller sind. Wir kämpfen für einen Tarifvertrag.“
 

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