Schiffbau
„Corona-Krise geht an die Substanz des Schiffbaus“

Mit der jährlichen Betriebsrätebefragung erhält die IG Metall Küste wichtige Einschätzungen zur Branchenentwicklung direkt aus den Betrieben. Die aktuellen Ergebnisse machen deutlich: Schnelles Handeln ist erforderlich, um Beschäftigung und Standorte zu halten

6. November 20206. 11. 2020


Der Schiffbau in Deutschland war gerade dabei, sich zu stabilisieren. Mit dem Spezialschiffbau – insbesondere von Kreuzfahrtschiffen und Yachten – sowie dem Marineschiffbau hatte er eine Nische gefunden. Fünf Jahre in Folge stieg die Beschäftigung, dann kam in 2020 mit der Corona-Pandemie der Einbruch. Aufträge wurden storniert oder gestreckt; es fehlte an Arbeit und Geld für die Finanzierung der Großprojekte. Zeitweise war fast die Hälfte aller Stammbeschäftigten auf den Werften in Kurzarbeit. Mehrere Standorte blieben über Monate geschlossen. Mehrere Werften versuchten, unter den Rettungsschirm der Bundesregierung (u. a. Wirtschaftsstabilisierungsfonds) zu kommen und sich so über Wasser zu halten.

Bei der Vorstellung der Schiffbauumfrage, die die Agentur für Struktur- und Personalentwicklung (AgS) im Auftrag der IG Metall Küste durchgeführt hatte, warnte Bezirksleiter Daniel Friedrich vor einem massiven Arbeitsplatzabbau auf den Werften und vor der Schließung von Standorten. „Die Corona-Krise geht an die Substanz des Schiffbaus in Deutschland. Nach den Ankündigungen der Unternehmen sehen wir mehr als ein Drittel der 18 000 Arbeitsplätze auf den deutschen Werften als akut gefährdet an.“  Politik in Bund und Ländern sowie Unternehmen forderte er zum schnellen und entschlossenen Handeln auf.


Politik ist gefordert

„Die Werften sind wichtige industrielle Kerne, die gute Arbeitsplätze mit Tarifverträgen bieten. Um sie durch die Corona-Krise zu bringen, ist eine gemeinsame Kraftanstrengung nötig“, so der IG Metall-Bezirksleiter. Es gehe jetzt darum, die Strukturen zu sichern und dafür schnell Geld aus den Hilfsprogrammen der Bundesregierung bereitzustellen. „Damit gewinnen die Unternehmen Zeit, um auf die Verwerfungen etwa auf dem Kreuzfahrtmarkt reagieren zu können, ohne zum Kahlschlag bei den Beschäftigten anzusetzen.“

Um für Arbeit auf Werften und bei Zulieferern zu sorgen, sei auch die Bundesregierung gefordert. Sie müsse die angekündigten Aufträge für die Marine  und andere Behörden zügig vergeben.

„Unsere Kolleginnen und Kollegen verlieren die Geduld. Briefe und Papiere – etwa zur Schlüsseltechnologie Marineschiffbau – sind genug geschrieben. Wir werden jetzt für unsere Forderungen Druck machen, auch mit Aktionen auf der Straße“, sagte Friedrich. Von den Arbeitgebern verlangte er, nicht nur über angeblich zu hohe Kosten zu reden, sondern über die Qualität im Schiffbau: „Wir müssen besser und nicht billiger sein, um uns auf dem Weltmarkt durchzusetzen.“


Trübe Aussichten

Auf den Werften arbeiteten im September 2020 18 115 Stammbeschäftigte. Das war ein Rückgang von einem Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch wenn einige Werften weiterhin einen hohen Anteil an Werkvertragsbeschäftigten hatten, war die Gesamtzahl während der Corona-Pandemie unter anderem durch die zeitweise Schließung von Werften zurückgegangen. Im Schiffbau tätig waren insgesamt rund 90 000 Menschen (13 000 weniger als ein Jahr zuvor). Durch die weltweite Krise ist davon auszugehen, dass es auch bei den Zulieferern, die mit 64 500 Beschäftigten den größten Teil der Beschäftigten stellen, einen deutlichen Rückgang bei der Beschäftigung geben wird.

Die Prognose der befragten Betriebsräte fällt überwie- gend negativ aus: Rund die Hälfte geht davon aus, dass in den nächsten Monaten in ihren Unterneh-men weitere Arbeitsplätze abgebaut werden. Neue Aufträge sind so gut wie keine eingegangen. Die Markteinschätzung hat sich insbesondere im Passagier- und Spezialschiffbau deutlich eingetrübt. Unsicherheiten gibt es auch im Marineschiffbau. Die IG Metall wird deshalb massiv für die Branche eintreten müssen, die für überwiegend gute Industriearbeitsplätze mit Tarif steht. Die teilweise guten Organisationsgrade und die aktive Branchenarbeit mit der langen Tradition der AG Schiffbau machen das möglich.

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