Interview mit Airbus-Betriebsratsvorsitzenden
Jens Brüggemann: „Eine gute Perspektive für die Zukunft“

Von der Bedrohung des Standortes zur Zukunftsvereinbarung: Betriebsräte und Vertrauensleute von Airbus Bremen haben lange für das Eckpunktepapier gekämpft. Jens Brüggemann, Betriebsratsvorsitzender von Airbus Bremen, erzählt, wie die Vereinbarung zustande kam - und warum sie so wertvoll ist.

16. Februar 202316. 2. 2023


Die Zukunftsfähigkeit des Bremer Standortes ist mit dem Eckpunktepapier gesichert – hinter diesem Vertrag steckt eine lange Auseinandersetzung. Wie kündigte sich für euch als Betriebsräte und Vertrauensleute der Konflikt an?

Jens Brüggemann: Am Bremer Standort gibt es vier Airbus-Betriebe: Operations, Aerostructures, Defence & Space und ArianeGroup. Damit bilden wir fast die ganze Airbus-Konzernstruktur ab. In den letzten 15 Jahren wurden in jedem dieser Unternehmen Umstrukturierungen und Stellenstreichungen vorgenommen. Bremen war somit im Dauerbeschuss. Daher gründeten wir vor vielen Jahren auf Initiative der IG Metall Bremen das IG Metall-Airbus-Bündnis am Standort und forderten bereits 2019 eine auf die Kompetenzen aller vier Betriebe ausgerichtete Zukunftsstrategie für den Bremer Luft- und Raumfahrtstandort. Aber dann kam die Coronakrise und die Antwort des Managements war die Streichung von 5100 Stellen in Deutschland, davon 440 Stellen bei uns.

In dieser Zeit wurden wir als Betriebsratsspitze vom Management aufgefordert, von unserer Flügelausrüstung „loszulassen“. Diese sollte nach England verlagert werden. Ein Angebot für einen relevanten Ersatz machten sie uns nicht. Das war schon heftig –  neben Corona, Kurzarbeit und Stellenstreichungen sahen wir uns zusätzlich mit einem Angriff auf eine Kernkompetenz unseres Betriebes konfrontiert.

Über 3,5 Jahre hat es gedauert, bis die Vereinbarung unter Dach und Fach war. Welche Rolle haben eure Aktionen und die Politik gespielt?

Wir erkannten in dieser Ansage sofort die existentielle Bedrohung unseres Standorts. Wir entschieden, nicht nur Widerstand zu leisten, sondern zugleich mit dem IG Metall Bündnis ein fundiertes eigenes Zukunftsbild für den gesamten Standort zu entwickeln. Wir legten diesen Vorschlag der Arbeitgeberseite vor, gingen damit offensiv in die Öffentlichkeit und an die Bremer Politik. An unseren Aktionen vor und hinter dem Werkstor beteiligten sich tausende Kolleginnen und Kollegen. Auf den Betriebsversammlungen ging es hoch her und wir erhielten zu jeder Zeit die Unterstützung der Betriebsräte der anderen deutschen Airbus-Standorte.

Insgesamt war diese mehr als drei Jahre andauernde Auseinandersetzung anstrengend. Es gehört nicht gerade zum Tagesgeschäft von Vertrauensleuten und Betriebsräten, eigene Unternehmensstrategien zu entwerfen. Aber das, was uns gelungen ist, ist ein gutes Beispiel dafür, dass man Veränderungen im Betrieb nicht nur mit Abwehr, sondern auch mit Gestaltungswillen begegnen muss. Wir haben aufgezeigt, welche Stärke in den Betrieben des Bremer Airbus-Standortes liegt. Und dass gute Arbeitsplätze, Innovation und Wertschöpfung vereinbar sind. Damit haben wir die Bremer Landesregierung überzeugt, die Bremer Bürgerschaft hat sich einstimmig für den Verbleib der Flügelausrüstung ausgesprochen. Selbst Olaf Scholz, der unserer Einladung zur Betriebsversammlung gefolgt war, hat sich für unsere Lösung ausgesprochen.

Was alle beeindruckt und maßgeblich zu unserem Erfolg beigetragen hat, war die konsequente Haltung der Betriebsräte und die unsagbare Unterstützung der  IG Metall Bremen. Wir haben gemeinsam jedes Angebot abgelehnt, dass nur kurzfristige Erfolge versprach. Wir haben immer wieder auf eine langfristig wirkende Lösungsperspektive beharrt. Und anstatt auf einseitige Deals einzugehen, haben wir eigene Zukunftskonzepte vorgeschlagen und vorangetrieben. Das wir damit auf dem richtigen Weg waren, konnten wir auch an dem großen Zuspruch der Kolleginnen und Kollegen festmachen. Bei den Betriebsratswahlen haben wir IG Metall-Betriebsräte ein historisch hohes Wahlergebnis erzielt und bei den Mitgliedern haben wir ordentlich zugelegt – vor allem im Engineering.

Ende 2021 gab es dann auf Initiative der Bremer IG Metall-Bremen ein Treffen mit der Geschäftsführung, der Standortleitung und dem Betriebsrat beim Bremer Bürgermeister. Danach zeichnete sich zum ersten Mal ab, das eine Lösung in unserem Sinne möglich ist. Es hat dann aber noch mal ein ganzes Jahr harter Verhandlungen gebraucht, um am Ende ein gutes Ergebnis zu erzielen.

Wie geht es jetzt weiter?

Mit dem Eckpunktepapier erhält Airbus Operations Bremen eine gute Perspektive für die Zukunft. Aber wir geben auch etwas weg. Heute rüsten die Kolleginnen und Kollegen der Bremer Flügelausrüstung die Tragflächen der A350 und der A330 aus. Die A330 wird nun nach England verlagert. Im Gegenzug erhalten wir neue Arbeitspakete, Investitionen und Verantwortungen in Produktion und Engineering, so dass am Ende mehr Menschen in Bremen arbeiten werden. Wir sind davon überzeugt, dass dies ein Gewinn für Bremen ist. Wir haben von Beginn an immer betont, dass es nur dann eine gute Lösung gibt, wenn die Beschäftigten in Bremen zustimmen. Das soll Ende März im Rahmen einer Betriebsversammlung passieren. In den kommenden Wochen werden wir allen 2500 Kolleginnen und Kollegen ein Informationsangebot machen. Wir wollen so viele Diskussionen wie möglich führen.

Wenn alles gut läuft, dann haben wir einen ersten erfolgreichen Schritt für die Zukunftsfähigkeit des Standortes gemacht. Vor uns liegt aber immer noch das Ziel, den ganzen Luft- und Raumfahrtstandort in die Zukunft zu führen – einhergehend mit einer guten Perspektive für alle Airbus-Standorte in Deutschland. Deshalb haben wir im Eckpunktepapier die Weiterführung eines gemeinsamen Zukunftsprozesses zwischen Arbeitgeberseite und dem Bremer IG Metall-Bündnis vereinbart.

Chronik

Der lange Weg zum Eckpunktepapier

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