In Bremerhaven stehen viele, teils leere Hallen, die an die guten Jahre der Windindustrie in Deutschland erin- nern. Weserwind, Adwen, Powerblades, Senvion, … – alles Namen von Unternehmen, die es so nicht mehr gibt, die nach Insolvenzen geschlos- sen oder in Teilen von anderen übernommen worden sind. Allein in Bremerhaven gingen 3000 verloren.
Alan-Thomas Bruce, ehemaliger Betriebsratsvorsitzender des Windanlagenherstellers Powerbla- des, ist wütend auf die Bundesregierung: »Das war eine Mischung aus den zögerlichen politi- schen Entscheidungen und dieser Deckelung, die dazu geführt haben, dass man die Investoren alle verschreckt hat«, sagt er. »Insbesondere bei der zeitweise boomenden Offshore-Industrie.«
Von seinen ehemaligen Kollegen arbeiten nur noch wenige in der Windbranche, entweder im Servicebereich oder für andere Firmen wie Sie- mensGamesa, die in Cuxhaven ein Werk für Offshore-Turbinen aufgebaut haben. »Viele andere mussten die Branche wechseln, obwohl sie mit viel Herzblut für Unternehmen der Erneuerbaren Energien gearbeitet haben«, so der überzeugte Metaller.
Die letzten, offiziellen Zahlen zur Beschäftigung stammen von 2017 aus Studien im Auftrag der Bundesregierung: Zum Jahresende waren nur noch 135 100 Menschen in der Windenergie beschäftigt (112 100 Onshore und 23 000 Offshore). Innerhalb eines Jahres gab es einen Rückgang von 25 000 Jobs in der Branche. Nach Schätzungen der IG Metall sind seitdem weitere 10 000 bis 15 000 Arbeitsplätze verloren gegangen.
Ein heftiger Rückschlag war die Insolvenz des Windanlagenherstellers Senvion in 2019: Von den 1800 Arbeitsplätzen konnten nur 500 durch die Übernahme des Service-Geschäfts durch SiemensGamesa gerettet werden. Mehrere Entlas- sungswellen gab es in den vergangenen Jahren beim Auricher Windanlagenhersteller Enercon an Standorten in Ostfriesland und Magdeburg. In der Krise haben IG Metall und Betriebsräte viel für die Beschäftigten erreicht: Die gut ausgestatteten Trans- fergesellschaften in der Insolvenz oder bei Betriebs- schließungen waren keine Selbstverständlichkeit und mussten durchgesetzt werden.
Der Kostendruck ist in der gesamten Branche erheblich und wirkt sich teilweise negativ auf die Arbeitsbedingungen aus. Tariflöhne und Mitbestimmung sind längst noch kein Standard in den Unternehmen. Die IG Metall fordert deshalb Tarif- löhne als qualitative Kriterien bei Ausschreibungen miteinzubeziehen. In der aktuellen Branchenbefragung wird dieses Anliegen von fast 90 Prozent der Betriebsräte unterstützt. Ein weiteres Kriterium für Ausschreibungen sollte der Anteil an regiona- ler Wertschöpfung sein: Unternehmen, die mit guten, tariflich geregelten Arbeitsbedingungen Windanlagen in Deutschland herstellen, aufbauen oder betreiben, sollten bei der Vergabe Vorrang haben.
Die Einschätzung zur künftigen Marktentwicklung der Windbranche in Deutschland ist bei den von der IG Metall befragten Betriebsräten weiterhin negativ – allerdings für Offshore deutlich weniger pessimistisch als bei Onshore. So wird die Aufhebung des Offshore-Deckels von fast 70 Prozent der Befragten als ein positives Signal gesehen.
Geplant ist die Anhebung des Ausbauziels für Windenergie auf See von 15 auf 20 Gigawatt bis 2030 sowie auf 40 Gigawatt bis zum Jahr 2040. Die IG Metall sieht darin einen wichtigen Beitrag zum Ausbau der Erneuerbaren Energien. Nur so lässt sich das Ziel von 65 Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen bis 2030 erreichen.
Das Anheben des Offshore-Deckels entspricht langjährigen Forderungen aus der Branche und den norddeutschen Bundesländern, die unter anderem in den Cuxhavener Appellen von der IG Metall unterstützt worden sind. Mit vielen Aktio- nen hat auch die Gewerkschaft dazu beigetragen, dass wieder ein stärkerer Ausbau der Windkraft möglich ist. Der IG Metall geht es dabei insbesondere um die industriepolitische Perspektive, also die Sicherung und den Aufbau von Beschäftigung und Wertschöpfung in Deutschland. Dafür wirbt die IG Metall gemeinsam mit den Betriebsräten im Netzwerk Windindustrie, das der Bezirk Küste gemeinsam mit dem Vorstand der IG Metall organisiert. Das Motto: “Wir machen Wind – für die Arbeits- und Ausbildungsplätze“.