Friedrich: Die Beschäftigten von Vestas streiken für einen Tarifvertrag. Sie wollen eine verbindliche, über uns für alle abgesicherte Regelung für ihre Gehälter mit regelmäßigen Tarifsteigerungen, Sonderzahlungen und Altersteilzeit. Tarifverträge sollten auch in der Windbranche längst Standard sein. Er ist das gute Recht der Beschäftigten. Die Geschäftsführung von Vestas verweigert sich Verhandlungen bisher allerdings komplett. Es herrscht absolute Funkstille zwischen dem Unternehmen und der IG Metall. Uns bleibt deshalb nichts anderes übrig, als den Streik, die vielen Aktionen vor den Lagern, den Zentralen in Hamburg und Aarhus und die breite politische Unterstützung aus der Politik und den Gewerkschaften zu organisieren. Alles hat nur ein Ziel: Die Geschäftsführung muss endlich an den Verhandlungstisch kommen! Wir sind wie viele Politikerinnen und Politiker sowie Vertreterinnen und Vertreter der Branche überzeugt: Nur gemeinsam und mit Tarifverträgen werden wir die Energiewende voranbringen. Wer wie der dänische Windanlagenhersteller für soziale und nachhaltige Werte in der Öffentlichkeit stehen will, muss sich auch für Tarifverträge öffnen.
Wir sind inzwischen bei Streiktag 35 angekommen. Seit Anfang November legen mehrere hundert Beschäftigte vor allem aus den Bereichen Service und Wartung immer wieder ihre Arbeit nieder - mal für einzelne Tage und seit Anfang dieses Jahres immer gleich für die gesamte Woche und auch den Sonnabend, sodass Arbeiten an den Windparks nicht mehr nachgeholt werden können. Die Auswirkungen sind inzwischen massiv. Die verbliebenen Kolleginnen und Kollegen kommen mit der Wartung und dem Aufbau nicht hinterher. Einzelne Windanlagen und teilweise wohl auch ganze Windparks stehen. Das bedeutet einen hohen wirtschaftlichen Schaden für Vestas und wird sicherlich auch bei den Betreiberinnen und Betriebsführern für Nachfragen sorgen. Für uns ist das der einzige Weg, das Recht der Beschäftigten auf einen Tarifvertrag durchzusetzen. Aber klar ist auch: Wir können den Streik jederzeit beenden. Dafür müsste sich Vestas bewegen, Verhandlungen mit uns aufnehmen und wir gemeinsam zu einem guten Ergebnis kommen. In anderen Betrieben der Windbranche ist das auch gelungen. Aktuell sind wir mit Ørsted - wie Vestas ein dänisches Unternehmen - in Verhandlungen über einen Tarifvertrag für die Offshore-Servicetechniker. Da hoffen wir auf eine Lösung am Verhandlungstisch.
Die Politik in Deutschland und in Europa hat sich auf sehr ehrgeizige Ausbauziele für Wind an Land und auf See geeinigt. Das ist richtig und wird von uns als IG Metall sehr unterstützt. Was aber noch fehlt, ist Klarheit, wie wir diesen gigantischen Ausbau schaffen wollen. Dafür brauchen wir mehr Arbeit und Wertschöpfung bei uns. Sonst wird die Abhängigkeit etwa von asiatischen Herstellern zu groß. Für den Offshore-Ausbau fehlt es neben Spezialschiffen, insbesondere an Bauplätzen für Konverter-Plattformen. Für uns ist deshalb vollkommen unverständlich, warum die Bundesregierung eine Co-Nutzung des neuen Marinearsenals in Rostock dafür nicht möglich macht. Es geht aber nicht nur um Industrieflächen, Kaikanten und Hallen, sondern vor allem um Fachkräfte für die Windbranche. Wenn wir die nicht finden und für die Unternehmen begeistern können, werden wir die Ziele nie erreichen. Saubere Energie und gute Arbeit müssen zusammengehören.
Das Interview ist auf der Webseite des Energieportals energate erschienen.