Pressemitteilung Windindustrie
Mehr gute Arbeit und Wertschöpfung für Stabilisierung der Windindustrie in Deutschland nötig

Die Aussichten für die Windindustrie in Deutschland haben sich gegenüber dem Vorjahr etwas abgeschwächt, bleiben aber auf einem hohen Niveau

12. September 202312. 9. 2023


  • IG Metall-Bezirksleiter Friedrich: „Bei den Arbeitsbedingungen muss sich in der Windbranche insgesamt noch etwas tun“
  • Befragung zeigt ambivalente Situation der Branche: Mehr Arbeitsplätze insbesondere im Service erwartet, aber auch Personalabbau in jedem fünften Betrieb geplant
  • Ausbildungsquote mit drei Prozent auf absolutem Tiefstand

 

66 Prozent der Betriebe (Vorjahr: 77 Prozent) gehen von einer positiven Marktentwicklung aus. Trotz der weltweit hohen Ausbauziele für Windenergie kommen allerdings 14 Prozent (Vorjahr: 12 Prozent) zu einer negativen Einschätzung. Das ist das Ergebnis einer Befragung von Betriebsräten aus 32 Unternehmen mit 29.500 Beschäftigten im Auftrag der IG Metall. 

„Unsere Befragung zeigt: Nach den Rückschlägen der vergangenen Jahre muss die Windindustrie in Deutschland weiter stabilisiert werden. Gute Aussichten alleine schaffen keine Arbeitsplätze“, sagte Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste. „Wir müssen Arbeit und Wertschöpfung in Deutschland und Europa ausbauen – auch aus strategischem Interesse, um eine unabhängige und klimafreundliche Energieversorgung zu sichern.“ Neben der Tarifbindung für die Beschäftigten müsse sich der Anteil an regionaler Wertschöpfung auch als hartes Kriterium in den Ausschreibungen für Flächen wiederfinden.

Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies kommentierte die Ergebnisse der Studie wie folgt: „Der weitere Ausbau der Windenergie an Land und auf See ist eine enorme Chance. Der Norden wird die Drehscheibe für saubere und günstige Energie für unser Land mit allen positiven Effekten, die das für weitere Investitionen mit sich bringt. Denn Industrie folgt Energie. Die Studie zeigt aber ebenso, wo die Herausforderungen liegen. Damit das gelingt, was wir uns vorgenommen haben, brauchen wir zum einen gute Arbeitsbedingungen in der Branche, damit wir attraktiv bleiben für Fachkräfte. Und wir brauchen eine klar positive Perspektive, damit wir die Abwanderung von Produktion verhindern und möglichst die gesamte Wertschöpfungskette hier bei uns auch weiterhin abbilden können. Hier ist auch der Bund gefragt – sowohl bei den Energiepreisen etwa über einen Transformationsstrompreis, als auch bei den jetzt notwendigen Investitionen gerade auch in unsere Häfen. Denn Windenergie ist nicht nur sauber und absehbar günstiger, wir machen uns damit vor allem auch unabhängiger. Das ist ein strategischer Faktor von nationalem Interesse. Hier werden wir zu Vereinbarungen mit dem Bund kommen müssen, wie diese für Deutschland notwendigen Milliardeninvestitionen finanziert werden können. Denn auch der Bund muss zu seiner nationalen Verantwortung stehen.“

Der Bundestagsabgeordnete Bengt Bergt (SPD), Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz und Energie, ergänzte: „Die Windenergiebranche droht in eine absurde Lücke hineinzulaufen: die Auftragsbücher sind voll, aber die Produktionshallen leer. Hier muss der Staat ran und mit Finanzierungen und Ausbildungsförderung Transformationsbrücken bauen. Aber auch die Betriebe müssen ihren Teil leisten. Die Branche muss attraktiver werden - und die beste Werbung ist ein Tarifvertrag!“

Die ArbeitnehmervertreterInnen erwarten zwar eine steigende Auslastung. Wie im Vorjahr geht auch etwas mehr als die Hälfte der Befragten von einem Plus bei den Aufträgen aus. Knapp ein Viertel (Vorjahr: 8 Prozent) erwartet aber bereits wieder weniger Aufträge.

Die Zahl der Beschäftigten ist in den befragten Betrieben innerhalb des vergangenen Jahres um 1400 (4 Prozent) gestiegen. Die weitere Entwicklung bleibt jedoch ambivalent: In jedem zweiten Betrieb, insbesondere aus dem Service, soll die Beschäftigung bis Ende 2023 ansteigen – in Summe um fast 3.500 Arbeitsplätze. Gleichzeitig plant jeder fünfte Betrieb einen Personalabbau. Fast 900 Jobs stehen zur Disposition.

Die meisten Betriebe haben Probleme bei der Stellenbesetzung. Die Betriebsräte machen dafür insbesondere die häufig fehlende Tarifbindung verantwortlich. „Wir werden nicht lockerlassen und nach dem erfolgreichen Streik bei Vestas in weiteren Betrieben für Tarifverträge antreten. Erstmals laufen aktuell Verhandlungen bei Ørsted und Nordex in Rostock“, so Friedrich. 

Als „erschreckend“ bezeichnete der Gewerkschafter die Ausbildungsquote von drei Prozent. „Die Unternehmen müssen mehr in die Zukunft ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investieren. Es kann nicht angehen, dass die Ausbildung jedes Jahr auf einen neuen Tiefstand sinkt und nur die Hälfte der Auszubildenden unbefristet übernommen werden. Bei den Arbeitsbedingungen muss sich in der Branche insgesamt etwas tun: Wer Arbeits- und Ausbildungsplätze ohne Tarif und ohne sichere Perspektive anbietet, wird auch mit der besten Imagekampagne nicht genügend Fachkräfte finden“, erklärte der IG Metall-Bezirksleiter.