- Betriebsräte-Befragung: Nur noch 59 Prozent der Unternehmen blicken zuversichtlich in die Zukunft, Branche in tiefgreifendem Umbruch
- IG Metall-Bezirksleiter Friedrich: „Die Energiewende-Pläne von Bundeswirtschaftsministerin Reiche lassen schlimmes befürchten.“
- Fachkräftemangel verschärft sich: 86 Prozent der Betriebe haben Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen
Die IG Metall Küste hat die Pläne von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche zum Umbau der Energiewende scharf kritisiert. Anlässlich der Vorstellung der jährlichen Windkraftumfrage der IG Metall Küste sagte Bezirksleiter Daniel Friedrich: „Unsere Befragung zeigt, dass die Windindustrie in Deutschland vor großen Herausforderungen steht. Die Stimmung ist ohnehin schon gedrückt. Die Pläne von Ministerin Reiche lassen schlimmes befürchten.“ Reiche will beim Ausbau der Erneuerbaren Energien die Kosten senken und Subventionen kürzen, etwa bei der Einspeisevergütung für Solaranlagen. Zudem plane sie mit einer abnehmenden Industrie in Deutschland und sinkenden Stromverbrauch. „Dem Ausbau der Erneuerbaren sowie der Industrie in Deutschland hat die Ministerin mit ihren Plänen einen Bärendienst erwiesen“, so Friedrich. Die Branche brauche Planungssicherheit und Klarheit, das Vorgehen des Ministeriums verunsichere allerdings Investoren und Unternehmen weiterhin.
„Die Windindustrie ist zentral für die Energiewende und die industrielle Wertschöpfung in Deutschland. Wir brauchen endlich Planungssicherheit für Unternehmen und Beschäftigte - und einen klaren politischen Kurs, der Arbeit und Produktion in Deutschland stärkt“, fordert Friedrich. „Die Regierung darf nicht nur auf die Kosten schauen, sondern muss auch die Sicherung und Ausbau von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung in den Mittelpunkt stellen. Es bleibt dabei, wer heute beim Ausbau der Erneuerbaren spart, zahlt später doppelt und dreifach für den teuren Strom.“
Die Windindustrie in Deutschland steht laut der Umfrage der IG Metall Küste vor großen Herausforderungen, aber auch vor erheblichen Chancen. Die Betriebsräte der Branche blicken mit vorsichtigem Optimismus in die Zukunft, doch der Strukturwandel, Fachkräftemangel und politische Unsicherheiten setzen viele Unternehmen unter Druck.
59 Prozent der Betriebe (Vorjahr: 67 Prozent) gehen von einer positiven Marktentwicklung aus. 23 Prozent (Vorjahr: 15 Prozent) kommen zu einer negativen Einschätzung, was die zukünftige Entwicklung der Branche angeht. 74 Prozent der Betriebsräte (Vorjahr: 87 Prozent) erwarten eine stabile oder steigende Auftragslage. 22 Prozent zeigen sich pessimistisch und befürchten einen Rückgang der Auftragslage (Vorjahr: 10 Prozent).
Gleichzeitig zeigt sich deutlich, dass sich die Branche in einem tiefgreifenden Umbruch befindet. Jeder zweite Betrieb hat in den vergangenen 12 Monaten bereits umgebaut, plant Restrukturierungen und Verlagerungen oder steckt gerade mittendrin. Trotz punktueller Neueinstellungen überwiegt der Stellenabbau. 35 Prozent der Betriebsräte erwarten für die kommenden Monate einen Stellenabbau (Vorjahr: 20 Prozent), 32 Prozent eine Zunahme der Beschäftigung (Vorjahr: 36 Prozent).
Die Fachkräftesituation stellt für viele Betriebe der Windindustrie weiterhin eine große Herausforderung dar und hat sich weiter verschärft. 86 Prozent der Betriebe (Vorjahr: 82 Prozent) berichten über massive Probleme bei der Stellenbesetzung – insbesondere in Service, Technik und IT. Auch die Ausbildung kann den Bedarf nicht decken: Mehr als die Hälfte der Betriebe konnte im vergangenen Jahr nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen. Um ihre Attraktivität zu erhöhen, setzen viele Unternehmen inzwischen auf zusätzliche Maßnahmen – etwa bessere Arbeitsbedingungen, Zusatzleistungen oder eine stärkere Präsenz in Schulen und Netzwerken.
Arbeits- und Gesundheitsschutz hat in der Windindustrie einen hohen Stellenwert. Besonders in tarifgebundenen Betrieben wird häufig über die gesetzlichen Vorgaben hinausgegangen - etwa durch zusätzliche Maßnahmen zum Schutz und zur Prävention für die Beschäftigten. „Damit wird deutlich: Tarifbindung wirkt auch hier als wichtiger Rahmen für bessere Standards“, sagte Bezirksleiter Friedrich.
Die Tarifbindung in der Windindustrie liegt inzwischen bei über 60 Prozent. „Das zeigt, dass es in vielen Betrieben bereits einen verlässlichen Rahmen für gute Arbeitsbedingungen gibt." sagte Friedrich. „Aber es bleibt noch Luft nach oben. In zahlreichen Unternehmen gilt bislang kein Tarifvertrag, sodass die Beschäftigten nicht von tariflich geregelten Standards profitieren.“ Deshalb bleibe der Ausbau der Tarifbindung ein zentrales Handlungsfeld. „Nur wenn weitere Betriebe erreicht werden, können faire und einheitliche Arbeitsbedingungen in der gesamten Branche dauerhaft gesichert werden“, so Friedrich.
An der Befragung der IG Metall Küste beteiligten sich Betriebsräte aus 23 Unternehmen – von Kleinstbetrieben mit 16 bis zu 7.050 Beschäftigten. Die Ergebnisse der Befragung wurden an diesem Mittwoch auf der Fachmesse Husum Wind vorgestellt.